Franz Burkhardt

Franz Burkhardts Arbeitsweise setzt sich kritisch mit dem künstlerischen Schaffensprozess auseinander.

Seine neuesten Installationen, die in ihrer Ausführung als ‚Nachbildung‘ realer Räume nahezu fotorealistische Qualitäten aufweisen und die von großem handwerklichen Geschick sowie eben solch malerischem Talent zeugen, implizieren für ihn die Frage nach dem Wesen der Kunst. Ist die detailgetreue Gestaltung eines Ortes oder Gegenstandes lediglich eine Nachahmung von bereits Existierendem oder ist sie als Kunst erkennbar? Damit berührt der Wahl-Belgier eine Kernfrage der Kunstgeschichte, die sich an die Schrift von Aristoteles „Poetik“ anlehnt und mit der Mimesis als ästhetische Kategorie beschäftigt. In seiner geläufigsten Auslegung meint der griechische Begriff ‚Mimesis‘ die Nachahmung der Natur oder Wirklichkeit. Bis heute ist die Frage nach dem Grad der Illusion in der Malerei virulent und wird von Künstler wie Besucher im Ausstellungskontext gleichermaßen als Qualitätsmerkmal befragt.
Franz Burkhardt antwortet  sich selbst und dem Betrachter in der Ausstellung Nr. 32 – 38 ,  indem er  die unmittelbare Umgebung in Augenschein nimmt und die Häuserfassade der Ehrenfriedstr. 32 – 38 mitsamt einem leer stehenden Ladenlokal in die geschichtsträchtigen, sakral anmutenden Innenräume des ehemaligen Winterrefektoriums einbaut. Dabei stellt die täuschend echte Fassade eine malerische Auseinandersetzung mit der funktionalen Architektur dar, da bis auf wenige Segmente alle Elemente aufwendig mit Farbe und Pinsel gestaltet sind. Auf der anderen Seite offenbart sich die Illusion als künstlerischer Nachbau in der offensiv zur Schau gestellten ‚Rückseite‘ der Installation. Statt die technische Seite zu verbergen, werden Holzstützen, Nägel und herunterhängende Kabel  zu einem  gleichwertigen Teil der Ausstellung. Dabei ist es eine Frage der eingenommenen Perspektive, welche Seite als repräsentativ aufgefasst wird. 
Ein weiterer Aspekt seiner Arbeit beschäftigt sich mit den Polen von Privatheit und Öffentlichkeit. Ausgangspunkt dieser konzeptuellen Überlegungen ist die Frage, wodurch sich Räume zu dem einen oder anderen konstituieren und ob klare Abgrenzungen überhaupt möglich sind. Die Vorstellung von individueller Freiheit und Lebensgestaltung, die im Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts zur Trennung von privaten und öffentlichen Bereichen führt, dient dem Künstler als Arbeitsmaterial und Quelle für seine Arbeiten. Orte, Räume und Schnittstellen, an denen sich Privates von Öffentlichem trennt, verwebt er subtil mit daraus resultierenden Verhaltensweisen und gesellschaftlichen Normen, an die sich Sehnsüchte, Ängste aber auch Scham koppeln. 
Seine Installationen bezeichnet Burkhardt dabei als chez soi, was in der deutschen Übersetzung so viel wie (bei sich selbst) zu Hause bedeutet. Ob sich angesichts der vermeintlichen, zum Teil kojenartigen oder als Fassade angelegten Behausung ein ‚privates‘ Gefühl einstellt oder erst beim Betrachten seiner Arbeiten von minutiös gezeichneten erotischen Frauen- und Männerdarstellungen eine Empfindung von Intimität aufkommt, überlässt er dabei dem Betrachter und dessen gesellschaftlicher Prägung. Burkhardt offeriert mit unterschiedlichen Medien die Möglichkeit einer privaten Sphäre. Diese Frage stellt sich auch hinsichtlich der Betrachtung seiner durch Erotikmagazine der 1950er und 1960er Jahre inspirierten Zeichnungen, die vereinzelt im in der Ausstellung zu sehen sind. Ist das Studieren der Zeichnungen also schambehaftet, da die visuelle Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit stattfindet, die Vorlage aber ursprünglich für private Zwecke gedacht war? Burkhardt bricht die Ambivalenz auf, indem er eine Ambivalenz schafft. Er versieht seine Zeichnungen mit Textpassagen aus Liedern, mit Gedankenfragmenten oder Sinnsprüchen in Form von Sprechblasen, die häufig die visuelle Darstellung unterlaufen und mal humorvoll mal poetisch, die offensive Erotik konterkarieren und eine neue Sinnebene generieren.
Indem Burkhardt außerdem eine Trinkhalle in seine In-Situ-Arbeit integriert, schlägt er einen Bogen von der Gegenwart in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Zweck der einstigen Trinkhallen – die damals ausschließlich dem Verkauf von alkoholfreien Getränken dienten - war es, dem wachsenden Alkoholkonsum der Arbeiter entgegenzuwirken. Der übermäßige Verzehr von Bier und Schnaps war dem Umstand geschuldet, dass das Leitungswasser dieser Zeit im ungekochten Zustand gesundheitsschädigend war. „Schnapsspenden“ der Fabrikbesitzer taten ihr Übriges. An zentralen Orten oder in unmittelbarer Nähe zu den Zechen und Werken förderten die Städte die Einrichtung von Trinkhallen, die nun Mineralwasser statt Alkoholika ausschenkten. Im Laufe der Zeit avancierten sie zu alternativen Lokalen und geselligen Treffpunkten. Mit dem Ausschank von Belgischem Bier in der Abtei wandelt der Künstler den Ausstellungsraum zu einem ähnlich geselligen Treffpunkt und transportiert darüber hinaus ein Stück belgische Heimat in das Rheinland. Er spielt mit der Vorstellung von vertrauter Heimeligkeit, die er durch kleine Irritationen in einen Ort der Widersprüche verwandelt.

Franz Burkhardt wurde 1966 in Wolfenbüttel geboren und studierte von 1987 bis 1993 an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Seit 1991 erhielt er zahlreiche Stipendien (DAAD für Togo, Günther-Peill-Stiftung, Peter-Voigt-Stipendium, Swatch-Stipendium) und hatte nationale und internationale Ausstellungen. Franz Burkhardt lebt und arbeitet in Montzen (Belgien). 

Di bis So 14 bis 17 Uhr
und auf Anfrage

kuratiert von Nadia Ismail und Astrid Legge

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